Medizinnobelpreis 1989: Michael John Bishop — Harold Eliot Varmus

Medizinnobelpreis 1989: Michael John Bishop — Harold Eliot Varmus
Medizinnobelpreis 1989: Michael John Bishop — Harold Eliot Varmus
 
Die beiden Amerikaner erhielten den Nobelpreis für »ihre Entdeckung des zellulären Ursprungs retroviraler Krebsgene«.
 
 Biografien
 
Michael John Bishop, * York (Pennsylvania) 22. 2. 1936; ab 1972 Professor für Mikrobiologie und Immunologie an der University of California (San Francisco), ab 1982 dort Professor für Biochemie und Biophysik. Arbeiten über von Viren übertragene Krebs erzeugende Gene.
 
Harold Eliot Varmus, * Oceanside (New York) 18. 12. 1939;ab 1979 Professor an der University of California (San Francisco), ab 1984 Forschungsprofessor bei der US-Krebsgesellschaft, ab 1993 Direktor des National Institute of Health in Bethesda(Maryland); Arbeiten über von Viren übertragene, Krebs erzeugende Gene.
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Das Ergebnis ihrer sorgfältigen Untersuchung überraschte die amerikanischen Virologen Michael Bishop und Harold Varmus: Bestimmte Erbeigenschaften in Viren lösen Krebs aus. Aber die betreffenden Gene stammen gar nicht aus den Viren, sondern aus den normalen Zellen. Als die Forscher weitersuchten, entdeckten sie rasch, wie weit verbreitet diese Erbeigenschaften sind, die ursprünglich als Onkogene (krebsauslösende Gene) bezeichnet wurden.
 
In jedem höheren Organismus, vom Menschen bis zum Elefanten, aber auch in Pflanzen und sogar in Hefe finden sich sehr ähnliche Gene. »Enthält jede Zelle Krebsgene?«, fragten sich die beiden Wissenschaftler. Dies ist mit einem »Jein« zu beantworten. Aber auch solche Antworten werden bisweilen mit dem höchsten Lorbeer der Naturwissenschaften belohnt.
 
 Verursachen Viren Krebs?
 
Die Geschichte der krebsauslösenden Eigenschaften von Viren beginnt mit der Entdeckung von Francis Peyton Rous (Nobelpreis 1966), dass bestimmte Virusarten Sarkome (bösartige Bindegewebsgeschwulste) bei Hühnern verursachen. Seine bereits 1911 erfolgten Experimente wurden lange Zeit als Laborkuriosität abgetan, weil bei Säugetieren Tumore anscheinend im Normalfall nicht von Viren ausgelöst werden. Erst in den 196oer-Jahren entdeckten Forscher einige andere Viren, die Krebs auslösen. Alle diese Erreger gehören zu den so genannten RNS-Viren (auch RNA; das A steht für das englische »Acid« für Säure«). Ihr Erbgut besteht aus der Ribonucleinsäure (RNS), die mithilfe eines speziellen Enzyms in die Desoxyribonucleinsäure (DNS; auch DNA) übersetzt und in das normale Erbgut der Wirtszelle eingeschleust wird. Normalerweise wird in einer Zelle immer nur DNS in RNS übersetzt. Da RNS-Viren diesen Weg umkehren, werden sie Retroviren genannt. Der wohl bekannteste Vertreter von ihnen ist der Aids-Erreger HIV.
 
Normalerweise zerstören Viren die Zellen, in denen sie sich vermehren. Einige Retroviren aber verwandeln normale Zellen in Krebszellen, ohne sie zu zerstören. Verantwortlich für diese Transformation sind einzelne Gene in den Viren. Im von Peyton Rous entdeckten Rous-Sarkom-Virus löst zum Beispiel das src-Gen die Sarkome bei Hühnern aus. Da ein Gen in der Zelle irgendwann in ein Eiweiß übersetzt wird, muss demnach die Wirkung des aus src entstehenden Proteins für die Entstehung von Sarkomen sorgen. Bishop und Varmus wollten herausfinden, wie solche Onkogene und die daraus entstehenden Proteine es schaffen, eine vorher normale Zelle in eine Krebszelle zu verwandeln.
 
Sie schlugen dazu einen in der Wissenschaft üblichen Weg ein: Die beiden Forscher suchten schlicht nach der Verbreitung der gefährlichen Gene. Aus dieser kann man nämlich bisweilen auf die Funktion schließen. Kommen ähnliche Gene sowohl in Pflanzen als auch in Tieren vor, dürften sie weder etwas mit der Photosynthese noch mit der Fortbewegung zu tun haben, die jeweils nur in einer der beiden Lebensarten wichtig sind. Kommen Gene dagegen in allen möglichen Organismen vor, sind sie vermutlich für sehr grundlegende Prozesse wie die Vermehrung zuständig.
 
Klar war den Forschern von vornherein nur eines: Diese Gene kommen nur in bestimmten RNS-Viren vor — sie schienen demzufolge nicht allzu weit verbreitet zu sein. Daher stellten die Forscher zunächst einmal ein Stück Erbmaterial her, das sich nur mit dem src-Onkogen aus dem Rous-Sarkom-Virus verbindet. Mit dieser Probe durchsuchten sie dann das Erbmaterial verschiedener Tiere und wurden zu ihrer Verblüffung jedesmal fündig. Offenbar kommt src oder zumindest ein sehr ähnliches Gen in allen Tieren vor. Damit muss src eine wichtige Funktion in Tieren haben, die kaum darin bestehen kann, Krebs auszulösen.
 
 Zelleigene Krebsgene
 
In verschiedenen Tieren findet sich das src-Gen immer an der gleichen Stelle im Erbgut. Damit stand fest, dass src nicht von Rous-Sarkom-Viren bei ihrer Vermehrung in das Erbgut der Zelle eingeschleust wird und sich dort festsetzt. In einem solchen Fall würde sich das Gen zufällig auch an jeweils anderen Stellen integrieren. Mit diesen beiden Ergebnissen waren zwei Dinge klar: src stammt nicht aus Viren, sondern aus normalen Zellen von Tieren. Und src hat eine wichtige Funktion in diesen Organismen. Als die Wissenschaftler weitere Onkogene untersuchten, ähnelten die Ergebnisse den Befunden bei src auffallend.
 
Damit war die Herkunft der Onkogene klar: Sie mussten aus Zellen stammen, in denen sich Retroviren vermehren. Bei diesem Prozess schleusen letztere ihr Erbmaterial in das Erbgut der Wirtszelle ein. Bei der Vermehrung mussten die Viren eines dieser Gene — wie src — zufällig aufgenommen und in das Viruserbgut eingebaut haben. Auch der Grund für die Krebs auslösenden Eigenschaften der Onkogene in Viren scheint klar: Praktisch alle Erbinformationen sind verändert, sie unterscheiden sich manchmal geringfügig, manchmal extrem von den Genen in der Zelle, von denen sie abstammen. Diese werden daher Proto-Onkogene genannt, Gene aus denen Onkogene entstehen.
 
Mit der Zeit kristallisierte sich auch eine zentrale Eigenschaft heraus, die fast alle Proto-Onkogene gemeinsam haben. Die meisten von ihnen kontrollieren die Vermehrung oder die Spezialisierung von Zellen. Damit war aber auch klar, weshalb sich Proto-Onkogene anscheinend recht einfach in Onkogene verwandeln. Bei Bedarf müssen sich Hautzellen sofort vermehren, um eine Wunde zu schließen oder verloren gegangene Zellen zu ersetzen. Andererseits muss diese Vermehrung exakt kontrolliert werden, da sie sonst ungehemmt weiterläuft und ein Tumor entsteht. Tatsächlich haben viele Onkogene genau die Kontrollregion verloren, die im Proto-Onkogen eine exakte Steuerung der Wachstumsprozesse ermöglicht.
 
R. Knauer, K. Viering

Universal-Lexikon. 2012.

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